Ein Urteil mit Folgen?
„Es ist Sache des Steuerpflichtigen, seine Datenbestände so zu organisieren, dass eine berechtigte Einsichtnahme durch die Finanzverwaltung erfolgen kann, ohne dass dabei geschützte Bereiche berührt werden.“ Es ist zu befürchten, dass diese Aussage aus einem kürzlich ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) zusätzlichen Dokumentationsaufwand bei der Archivierung geschäftlicher Emails auslösen wird.
Hintergrund ist ein Fall, bei dem die Betriebsprüfung vom Steuerpflichtigen die Vorlage der „steuerlich relevanten Email-Kommunikation“ des Prüfungszeitraums forderte. Die Erfüllung dieses Vorlageverlangens war für den Steuerpflichtigen mit erheblichem Aufwand verbunden, da mehr als 1 Mio. Emails betroffen waren. Er war daher der Auffassung, dass eine so umfassende und unspezifische Anfrage der Finanzverwaltung unzulässig sei.
Die Richter beim BFH widersprachen dieser Auffassung jedoch. Die Finanzverwaltung sei im Rahmen der Außenprüfung grundsätzlich berechtigt, vom Steuerpflichtigen sämtliche EMails mit steuerlichem Bezug anzufordern (sog.Vorlageverlangen „en bloc“). Dem Steuerpflichtigen stünde dabei jedoch das Erstqualifikationsrecht zu. D.h. er darf zunächst entscheiden, welche Daten er für steuerlich relevant (und damit vorlagepflichtig) hält und welche nicht. Eine unmittelbare Einsichtnahme der Betriebsprüfung in sämtliche gespeicherten Emails (privat und geschäftlich) ist damit ausgeschlossen.
Was ist steuerlich relevante Email-Kommunikation?
Mit „steuerlich relevante Email-Kommunikation“ sind die von der gesetzlichen Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht betroffenen Emails gemeint. Aufbewahrungs- und vorlagepflichtig sind nicht nur Jahresabschlüsse, Buchungsbelege, Bankunterlagen usw. Auch die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe sowie Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe sind umfasst. Diese Unterlagen sind sechs Jahre aufzubewahren.
Zu den Handels- oder Geschäftsbriefen zählt sämtliche Korrespondenz, die die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts betrifft, also z.B.: Aufträge, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Frachtbriefe, Rechnungen, Reklamationen, Zahlungsbelege, Kontoauszüge und Verträge.
Ob ein Handels- bzw. Geschäftsbrief vorliegt, bestimmt sich nach dem Inhalt, nicht nach der Form. Es fallen also auch EMails (und andere durch Datenfernübertragung übersendete Nachrichten – z.B. SMS, WhatsApp, …) darunter.
Handlungsoptionen
Wer im Falle einer Betriebsprüfung auf „en-bloc“-Vorlageverlangen vorbereitet sein will, ist daher angehalten, die Email-Kommunikation so zu organisieren, dass die steuerlich relevanten Nachrichten mit vertretbarem Aufwand von den übrigen Nachrichten getrennt werden können. Häufig dürfte es dazu unerlässlich sein, bereits bei Eingang der Email eine Qualifikation und separate Archivierung vorzunehmen (z.B. in getrennten Ordern oder mittels Datenmanagementsystem). Eine Auseinandersetzung mit der Thematik dürfte insbesondere für Fälle der Anschlussprüfung und Betriebe mit einer hohen Prüfwahrscheinlichkeit ratsam sein.
Problemfall: Berufsgeheimnisträger
Während es den übrigen Steuerpflichtigen (zumindest theoretisch) offensteht, der Betriebsprüfung im Zweifel einen „ungefilterten“ Zugang zu sämtlicher Email-Kommunikation zu gewähren, steht diese Option Berufsgeheimnisträgern regelmäßig nicht offen. Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht sind nach § 203 StGB strafbar und ziehen auch berufsrechtliche Konsequenzen nach sich. Dies gilt auch für unzulässige Offenbarungen von Berufsgeheimnissen ggü. Finanzbehörden.
